Sabrina Gabathuler aus Trübbach war ein Jahr als Au-pair in der Nähe von Philadelphia. Die 21-Jährige berichtet von ihren Erfahrungen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Warum wolltest du ins Ausland? Nach der Lehre und einem Jahr Arbeitstätigkeit wusste ich nicht genau, wie ich meine Zukunft planen wollte. Der Zeitpunkt erschien mir richtig, um ins Ausland zu gehen. Nach Amerika zu reisen, war ein Kinderwunsch von mir. Wie hast du eine Au-pair-Stelle bekommen? Zuerst habe ich im Internet gesucht. Da ich durch Education First Sprachreisen (EF) schon einmal einen Sprachaufenthalt gemacht hatte, meldete ich mich wieder bei ihnen. Da ich als Au-pair auch etwas verdienen konnte, entschied ich mich als solches nach Amerika zu gehen. Wie sahen die Vorbereitungen aus? Ich traf mich zu einem Gespräch mit der Koordinatorin von EF, Cultural Care. Ich füllte dann die Bewerbungsunterlagen mit vielen Fragen aus, gab einige Referenzpersonen an und legte ein Foto bei. Die Gastfamilien suchen ihre Au-pairs aufgrund dieser Unterlagen aus. Wenn den Gasteltern die Bewerbung gefällt, wird man von ihnen angerufen. Schlussendlich kann sich das angehende Au-pair selber entscheiden, ob es bei dieser Familie arbeiten möchte oder nicht. In Amerika kann man die Familie wechseln, falls es Probleme gibt. Ich habe meine Au-pair-Familie – bzw. sie mich – schnell gefunden, und bin die ganze Zeit bei der gleichen Familie geblieben. Mit wieviel Vorbereitungszeit muss gerechnet werden? EF empfiehlt mindestens eine dreimonatige Vorbereitungsphase. Bei mir war es etwas anders. Da die Ansprechperson bei der Agentur wechselte, ging mein Antrag verloren. Der Vorbereitungsprozess dauerte schlussendlich vier Monate. Was muss man als Au-pair mitbringen? 200 Arbeitsstunden mit Kindern sind gefordert. Ich entschloss mich deshalb für ein dreimonatiges Praktikum in einer liechtensteinischen Kindertagesstätte. Das brachte mir viel Erfahrung im Umgang mit Kindern. Nach dem Praktikum war ich bereit, mich der Herausforderung in Amerika zu stellen. Die grösste Herausforderung für mich bestand darin, die Verantwortung für drei Jungs zu tragen, während die Eltern arbeiten gingen. Erfahrungen mit Babysitting kann auch sehr hilfreich sein für diesen Job. Wie hoch sind die ungefähren Kosten? Insgesamt bezahlte ich 1000.- Euro an EF. Dieser Betrag beinhaltet eine Jahresversicherung und eine Bearbeitungsgebühr sowie eine Kaution. Die Kaution erhielt ich zurück, weil ich meinen Arbeitsauftrag zufriedenstellend erfüllte. Ausserdem sind da noch die Reisekosten, die variieren, je nach Flug. Was hast du vor Ort gemacht? Zuerst besuchten wir in New York einen einwöchigen Einführungskurs. Wir erfuhren viel über die Erziehung und über die Kinder in Amerika. Insgesamt nahmen 60 Au-pairs an diesem Kurs teil. Diese Woche war sehr gut, denn man lernte auch viele nette Leute mit unterschiedlichsten «Backgrounds» kennen. Gemeinsames verbindet: alle standen wir vor zahlreichen Fragen und davor, was uns weit weg von daheim erwarten würde. Anfänglich hatte ich zu den anderen Au-pairs aus dem Kurs noch Kontakt. Aber die Distanzen waren einfach zu gross, um sich treffen zu können – einige arbeiteten beispielsweise in Kalifornien oder Georgia. Zwei, der drei Jungs, die ich zu betreuen hatte, waren schon im Schulalter und der Jüngste zwei Jahre alt. Morgens ging ich mit dem Jüngsten auf den Spielplatz oder spazieren. Nachmittags schlief er zwei bis drei Stunden. Währenddessen machte ich die Hausarbeit und – falls Zeit blieb – entspannte ich mich noch ein wenig. Um 15 Uhr kehrten die anderen zwei Jungs von der Schule zurück. Dann war was los! Wir assen Z’vieri und spielten dann bis die Eltern von der Arbeit kamen. Wo und wie hast du gewohnt? Die Familie wohnte in einem grosszügigen, dreistöckigen Haus. Mein Schlafzimmer war im Erdgeschoss. Rund um das Haus gab es einen grossen Garten ohne Zäune. Ein Gärtner mähte einmal pro Woche den Rasen. Manchmal spielten die Kindern draussen, hatten jedoch Mühe, sich selbst zu beschäftigen. Wieviel hast du verdient? Ich erhielt ca. 145 Franken pro Woche. Ab Juli 2008 wird der Lohn auf 170 Franken angehoben. Die Regierung möchte, dass sich der Lohn in den nächsten zwei Jahren nochmals erhöht. Mit dem Geld kam ich gut zurecht, da ich für Verpflegung und Unterkunft ja nichts zu bezahlen hatte. Wie erging es dir mit der Sprache? Zu Beginn viel es mir schwer, die Worte auf Anhieb zu finden. Obwohl ich das Gesagte verstehen konnte, fehlte mir die Übung, um spontane Antworten zu geben. Mit der Zeit ging es immer besser. Gegen Ende des Aufenthaltes bzw. als ich wieder zurück war, fielen mir teilweise deutsche Ausdrücke nicht mehr ein. Wie sah deine Freizeit aus? An den Wochenenden hatte ich immer frei. Ich unternahm viel mit Kollegen. Mehrmals reisten wir nach New York. Im Sommer waren wir oft am Strand. Verlängerte Wochenenden verbrachten wir weiter entfernt. Ich wollte in meiner freien Zeit nicht «zu Hause» sein. Denn dies war ja mein Arbeitsplatz. Auch an den Abenden war ich oft unterwegs, da ich ja den ganzen Arbeitstag mehr oder weniger im Haus verbrachte. Ich ging ins Fitness Studio, ins Kino oder besuchte eine Freundin. Anders als in der Heimat, versuchte ich häufiger raus zu gehen. Hast du Freunde gefunden? Als Au-pair ist es nicht typisch, dass man einen guten Kontakt zu den Einheimischen pflegt. Ich fand viele amerikanische Freunde. Jeden Freitag ging ich in die «Bible Study». Ich stiess auf diese Gruppe, weil sich meine Vorgängerin ihnen angeschlossen hatte. Sie war sehr religiös. In dieser Gruppe führten wir Gespräche über Texte aus der Bibel und plauderten bei Snacks über dies und jenes. Die Leute dort waren von 18 bis 25 Jahre alt und wirklich nett. Ein Mädchen aus der Gruppe war «Nanny». Zusammen unternahmen wir viel mit «unseren» Kindern. Ich traf mich auch mit anderen Au-pairs aus der Nähe und mit Freunden der Familie. Kontakte in die Heimat? Ich hatte wenig Kontakt mit den Eltern. Das Telefonieren ist echt teuer. Dadurch, dass ich mich nicht gezwungen fühlte, mich ständig zu melden oder Berichte abzuliefern, fühlte mich sehr unabhängig und frei von Verpflichtungen. Ab und zu habe ich eine E-Mail geschickt. Mit welchen Erwartungen und Wünschen bist du ins Ausland gegangen? Persönlich wünschte ich mir, herauszufinden, was ich in Zukunft machen will. Sollte ich studieren? Wenn ja, welches Studium? Bezüglich Amerika hatte ich keine grossen Erwartungen. Man kennt es von den Filmen, was teilweise auch der Realität entspricht. Ich liess die Dinge auf mich zukommen.Betreffend Zukunftspläne hat sich einiges geklärt: Im September beginne ich mit dem Wirtschafts- Studium und bin überzeugt, dass dies das Richtige für mich ist. Hattest du auch schlechte Erfahrungen während deines Auslandaufenthaltes? Eher wenige. Die Beziehung zu meiner Gastmutter war nicht immer so gut – ein ständiges Auf und Ab. Vor allem, wenn es kriselte, wollte ich nur noch weg. Es mangelte einfach an der Kommunikation zwischen uns. Sie hatte bei ihrer Arbeit viel Druck auszuhalten. Wenn ich etwas nicht genau so machte, wie sie es wollte, bemerkte ich dies an ihrem Umgang mit mir: Dann sprach sie nur noch das Nötigste mit mir. Sie schrie mich aber nie an. Zum Glück hatte ich Leute in meinem Umfeld, mit denen ich reden konnte. Heimweh hatte ich nie. Man sagt ja, die ersten drei Monate seien die schwierigsten. Glücklicherweise war ich von Anfang an von Menschen umgeben, mit denen ich reden konnte. Allen voran mit Juliette, der Nanny. Inwieweit hat dich deine Auslanderfahrung verändert? Die Verantwortung für drei Kinder zu haben, hat mich reifer gemacht. Verantwortungsbewusst war ich schon vorher. Dies hat sich sicher durch diese Erfahrung noch gesteigert. Jetzt weiss ich, wie ich mein Leben gestalten möchte. Auch denke ich, dass ich toleranter und weiblicher geworden bin. Was hat dir die Auslanderfahrung für die Zukunft gebracht? Für meine berufliche Zukunft brauche ich Englisch. Ich beherrsche dies nun fliessend in Wort und Schrift und verstehe alles. In der Grammatik bin ich noch nicht so sicher. Ich habe durch die Arbeit mit den Kindern viel gelernt: Mir ist bewusst geworden, dass ich später gerne eine Familie hätte – in zehn Jahren vielleicht. Was ist deiner Meinung nach sehr typisch für die USA? Fast Food! Amerikaner sind sehr «faul». Man muss immer das Auto benutzen. Ein Parkpaltz wird grundsätzlich nur in der Nähe des Eingangs gesucht. Sie fahren solange rum, bis einer frei wird. Nur keinen Meter freiwillig gehen. Dennoch sind sie nicht so dick, wie man sagt. In meinem Ort waren die Leute eher konservativ eingestellt. Sie haben keine Ahnung von Europa, ausser denjenigen, die schon einmal hier waren. Alle wollen aber irgendwann mal nach Europa reisen. Die Amerikaner sind sich nicht bewusst, dass die Menschen in anderen Ländern ein schlechtes Bild über die USA haben. Was hat dich an diesem Land überrascht? Die riesigen Distanzen. Die Amerikaner fliegen für ein Wochenende nach Colorado oder Chicago. Tagesausflüge bei denen man 4-5 Stunden im Auto sitzt, sind normal. Ich besass während meines Aufenthaltes ein Auto. Das war schon luxuriös. Auch überraschte mich, dass die Schulen im Winter, wenn starker Schneefall vorhergesagt war, früher geschlossen wurden. Sodass die Kinder vor dem Schneefall zu Hause waren. Schulfrei ist natürlich schon toll, wenn man nicht auf die Kinder aufpassen muss. Des Weitern verblüffte mich das Wetter. Der Sommer erfreut durch ganz viele sonnige Tage. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit ist man jedoch gezwungen, drinnen zu bleiben. Alle Gebäude haben eine Klimaanlage, deshalb musste man im Sommer beim Essen in einem Restaurant einen Pullover tragen. Hast du Tipps für junge Leute, die ins Ausland gehen möchten? Macht es einfach und habt dabei keine Zweifel! Wenn man aber anfällig ist für Heimweh, sollte man es sich vorher dreimal überlegen. Ich kannte einige Au-pairs, die in den ersten Wochen Heimweh hatten und ihren Aufenthalt nach zwei bis drei Monaten abgebrochen haben. Anfänglich ist es sicher schwierig, wenn man sich noch nicht so auskennt. Das ist verständlich. Die Situation wird noch schwieriger, wenn man einen Freund in der Heimat hat. Ich denke, dass sich das Heimweh mit der Zeit legen muss, sonst kann man den Aufenthalt nicht geniessen. Hat deine Auslanderfahrung dir Lust auf weitere Reisen gemacht? Ja! Immer schon wollte ich verreisen, die Welt kennen lernen. Das werde ich wohl in Zukunft häufiger machen. Nicht nur in der Ferienzeit, auch die Wochenenden werde ich vermehrt für Kurztrips nutzen. 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